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Neuanfang braucht Loslassen.

Peter Mörs | 10. Oktober 2025

Loslassen
Loslassen

Gib niemals auf, aber lass immer los

Provokante Einstiegsfrage

Wann hast du das letzte Mal wirklich losgelassen?
Ich meine: nicht halbherzig, nicht „strategisch geplant“, sondern wirklich — innerlich.

Viele Führungskräfte, die zu mir kommen, kämpfen nicht mit dem Arbeitsmarkt.
Sie kämpfen mit sich selbst.
Mit der alten Rolle. Mit der Identität, die über Jahre definiert hat, wer sie sind.
Und genau da liegt der Kern: Neuanfang braucht Loslassen.

Loslassen – das meist missverstandene Wort in der Karriere

Wenn du als Führungskraft deinen Job verlierst, verlierst du oft mehr als nur eine Position.
Du verlierst Struktur, Bedeutung, Macht, Status, manchmal sogar ein Stück Selbstwert.
Und was tust du? Du hältst fest. An Kontakten. An Routinen.

An der Geschichte, wie „das alles passiert ist“.

Aber Festhalten ist kein Zeichen von Stärke. Es ist ein Symptom von Angst.
Von der Angst, ohne das Alte nichts mehr zu sein.

Loslassen heißt nicht, dass du aufgibst.
Es heißt, dass du Platz schaffst für das, was kommen darf.
Oder, wie es in der Akzeptanz- und Commitment-Therapie heißt:
„Akzeptiere, was du nicht ändern kannst, und handle nach deinen Werten.“

Loslassen ist gleich Annehmen

Das klingt paradox – ist aber psychologisch glasklar.
Solange du gegen die Realität kämpfst, bist du gebunden an sie.
Wenn du akzeptierst, was ist, entsteht Freiheit.

Viele meiner Klienten fragen in der ersten Sitzung:

„Wie soll ich das akzeptieren? Ich wurde rausgeschmissen. Ich war loyal. Ich habe alles gegeben!“

Ja, genau das ist der Punkt.
Akzeptanz bedeutet nicht Zustimmung. Sie bedeutet, die Realität nicht länger zu leugnen.
Erst wenn du anerkennst, was ist, kannst du entscheiden, was du tust.

Loslassen beginnt also nicht im Kopf, sondern in der Haltung.
Es ist eine bewusste Entscheidung: Ich höre auf, dagegen anzukämpfen.

Und damit fängt Heilung an.

Der Schmerz gehört dazu

Wie bei jeder Verletzung kommt Heilung nicht ohne Schmerz.
Viele wollen den Übergang zur neuen Phase „effizient“ gestalten – am liebsten ohne Emotion.
Aber das funktioniert nicht.

So wie körperliche Heilung Schmerz einschließt, gehört auch emotionaler Schmerz zum Loslassen.
Verlust, Wut, Enttäuschung, Scham – alles darf da sein.
Erst das Durchleben schafft Distanz.

Oder, wie Heide Liebmann schreibt:

„Mach dir klar, dass du übst. Gib nicht zu schnell auf. Wenn du in alte Muster fällst, fang neu an.“

Loslassen ist kein einmaliger Akt. Es ist ein Prozess – wie Muskelaufbau.
Widerstand ist normal.
Aber du entscheidest, ob du ihn trainierst oder ihm nachgibst.

Die Illusion der Kontrolle

Ein Grund, warum Loslassen so schwerfällt: Wir halten an der Illusion fest, wir hätten Kontrolle.

Über Ergebnisse. Über Menschen. Über Zukunft.

Aber Kontrolle ist eine Fiktion.
Du kannst deinen Chef nicht kontrollieren, die Märkte nicht, die Konjunktur schon gar nicht.
Du kannst nur dich selbst führen – dein Denken, dein Handeln, dein Fokus.

Leo Babauta formuliert es brutal ehrlich:

„Die Wurzel all unserer Probleme ist unsere Unfähigkeit, loszulassen.“

Was heißt das übersetzt in die Karrierepraxis?
Wer nicht loslässt, wird reaktiv.
Du fährst konstant im Rückspiegel, erklärst, rechtfertigst, verteidigst dich.
Aber du gestaltest nichts mehr. Loslassen bedeutet, Verantwortung zu übernehmen:
für die Energie, die du investierst,
für die Gedanken, die du fütterst,
für die Geschichten, die du dir selbst erzählst.

Vergebung – der unterschätzte Hebel

Vergebung klingt für viele zu weich, zu spirituell, zu esoterisch.
Doch wer wirklich loslassen will, kommt an Vergebung nicht vorbei.

Vergebung heißt nicht, gutzuheißen, was passiert ist.
Es heißt, dich selbst zu befreien.
Von der Endlosschleife im Kopf, die dich festhält in Wut, Enttäuschung, Selbstzweifel.

Heide Liebmann bringt es auf den Punkt:

„Vergebung heißt: Ja, das ist mir passiert. Ja, ich spüre die Gefühle – und ich akzeptiere, dass sie da sind.“

Wenn Dankbarkeit die Tür öffnet, dann ist Vergebung der Schlüssel, der sie entriegelt.
Nur wer vergeben kann, kann auch vorangehen.

Loslassen ist nichts für Feiglinge

Manche halten Vergebung oder Loslassen für Schwäche.
Ein Irrtum.
Rache ist einfach. Nachtragen ist bequem.
Aber loslassen? Dafür brauchst du Mut.

Mut, dir selbst ins Gesicht zu schauen.
Mut, die Wahrheit auszusprechen, die du verdrängt hast.
Mut, dich neu zu erfinden – ohne Garantie, wie das ausgeht.

Stärke zeigt sich nicht im Festhalten, sondern im Vertrauen, dass du dich tragen kannst, wenn das Alte fällt.
Das ist Souveränität.

Psychologie Heute – Loslassen lernen

Loslassen im Berufsleben – konkret

Wie übersetzt sich das jetzt in den Karrierealltag?
Hier sind vier typische Situationen aus meinen Coachings:

  • Der verlorene Job.
    Du bist nicht dein Job.
    Er war lediglich der Rahmen, in dem du gewirkt hast.
    Wenn du ihn verlierst, verlierst du lediglich eine Rolle, aber nicht deinen Wert.
    Loslassen bedeutet, die Bühne zu wechseln, aber nicht das Stück zu beenden.
  • Der toxische Chef.
    Solange du innerlich dagegen kämpfst, bleibst du an ihn gebunden.
    Erst wenn du innerlich sagst: „So ist er. Ich entscheide, wie ich damit umgehe“, gewinnst du deine Macht zurück.
  • Das gescheiterte Projekt.
    Scheitern ist Feedback, kein Urteil.
    Loslassen bedeutet, einen Fehler zu akzeptieren, aus ihm zu lernen und weiterzumachen.
  • Der neue Anfang.
    Viele unterschätzen, dass Loslassen auch in Zukunft nötig sein wird.
    Wenn du dich neu positionieren willst, musst du alte Erfolgslogiken ablegen.
    Die Strategien, die dich einst nach oben gebracht haben, blockieren dich jetzt.

Gesundes Festhalten – das Gegenstück zum Loslassen

„Loslassen“ wird oft als Allheilmittel verkauft.

Doch es geht nicht ums radikale Wegwerfen, sondern ums bewusste Festhalten an dem, was trägt.

Loslassen ohne Fundament führt in die Beliebigkeit.

Festhalten ohne Bewusstsein führt in die Abhängigkeit.

Beides braucht Balance.

Was solltest du also festhalten?
Deine Werte.
Deine innere Stabilität.
Vertraue darauf, dass du auch ohne äußere Sicherheiten stabil bleibst.

Das ist der Unterschied zwischen Halt haben und Halt brauchen.

Gelassenheit ist keine Gleichgültigkeit

Viele verwechseln Loslassen mit Passivität: „Dann ist mir halt alles egal.“
Aber Gelassenheit ist das Gegenteil von Gleichgültigkeit.
Sie bedeutet, mit klarem Blick zu handeln – ohne Drama, ohne Verstrickung.

Gelassenheit ist die Fähigkeit, souverän zu bleiben, auch wenn es stürmt.
Sie entsteht, wenn du aufgehört hast, dich von jedem Ereignis treiben zu lassen.

Das ist kein Rückzug, das ist Reife.

Psychische Flexibilität – der unterschätzte Karrierefaktor

In der Akzeptanz- und Commitment-Therapie spricht man von psychischer Flexibilität.
Sie ist die Fähigkeit, auf Veränderungen bewusst zu reagieren, statt reflexhaft zu agieren.
Diese Haltung ist für Führungskräfte überlebenswichtig – besonders in Umbruchphasen.

Je starrer dein Selbstbild, desto schmerzhafter die Veränderung.
Je flexibler du wirst, desto größer deine Handlungsfreiheit.

Oder anders gesagt: Wer loslässt, hat die Hände frei.

Der radikale Blick in den Spiegel

Loslassen ist unbequem.

Bevor du das Alte hinter dir lassen kannst, musst du nämlich ehrlich hinschauen.

Was hält dich wirklich fest.
Oft sind es nicht das System, der Markt oder der Chef.

Es ist dein Bedürfnis nach Kontrolle. Nach Anerkennung. Nach Sicherheit.
Diese Bedürfnisse sind menschlich, aber sie dürfen dich nicht steuern.

Solange du sie nicht erkennst, wirst du in jedem neuen Job das alte Muster wiederholen.

Loslassen bedeutet auch, diese innere Wahrheit auszusprechen.
Ohne Selbstmitleid. Ohne Rechtfertigung.

Erst dann beginnt echte Freiheit.

The Power of Letting Go

Gib niemals auf – aber lass immer los

Das klingt widersprüchlich, ist aber die Essenz von Führung in der Veränderung.
Niemals aufgeben – das heißt: an deiner Vision festhalten, an deinem inneren Kompass, an deiner Verantwortung.

Immer loslassen – das heißt: das Alte nicht mitschleppen, das dich runterzieht.

Wolf Lotter schrieb in brand eins:
„Wer klammert, verliert. Loslassen ist nicht das Ende, sondern der Anfang von allem.“

Genau darum geht es.
Führungskräfte, die das begreifen, scheitern nicht am Wandel – sie gestalten ihn.

Loslassen ist Selbstführung

Loslassen ist kein Mindset-Trick, sondern eine Haltung.
Sie verlangt Mut, Disziplin und Selbstverantwortung.
Aber sie ist lernbar.

Du kannst Loslassen üben – jeden Tag.
Im Gespräch. Im Denken. Im Tun.
Und irgendwann merkst du: Du kämpfst nicht mehr gegen das, was ist.
Du nutzt es.

Handlungsimpuls

Wenn du spürst, dass du an etwas festhältst, das dich bremst, sei es eine Rolle, ein Job oder eine Geschichte, dann fange an, es zu betrachten. Nicht, um es zu verurteilen, sondern um es zu verstehen.

Wenn du dabei merkst, dass du allein nicht weiterkommst, suche dir Unterstützung, einen Sparringspartner.

Denn Loslassen ist leichter, wenn jemand mit der Taschenlampe neben dir steht und dir hilft, den Weg zu sehen.

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