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Dein Lebensziel? Frag deinen 70. Geburtstag

Peter Mörs | 12. Dezember 2018

Die „70. Geburtstag-Übung“ – entdecke deine wahren Ziele.

Hör auf, fremde Ziele zu jagen. Mit der „70. Geburtstag“-Übung findest du heraus, was für dich im Leben und in der Karriere wirklich zählt.

Das Ziel deines Lebens? Frag deinen 70. Geburtstag – eine Anleitung

Na, wieder mal ein Montagmorgen? Der Wecker klingelt, die To-do-Liste ist voll und der Kalender platzt aus allen Nähten. Du funktionierst, du leistest, du bist beschäftigt. Aber mal ganz ehrlich, nur für dich: Weißt du eigentlich, wofür du das alles machst?

Wir jagen Quartalszielen hinterher, streben nach der nächsten Beförderung und optimieren unseren Alltag bis zur letzten Minute. Wir sind Meister im Abarbeiten, aber haben wir uns jemals die Zeit genommen, unser eigentliches Ziel zu definieren? Das große Ganze? Das, was am Ende wirklich zählt?

Die meisten von uns tun es nicht. Wir treiben im Strom der Erwartungen – von der Gesellschaft, vom Chef, von der Familie, von uns selbst. Wir hoffen, dass all die harte Arbeit uns irgendwann an einen Ort bringt, an dem wir glücklich und erfüllt sind. Aber Hoffnung ist keine Strategie. Und genau hier liegt die Gefahr: Wir könnten eines Tages aufwachen, mit 60 oder 70, und feststellen, dass wir eine Leiter erklommen haben, die am falschen Gebäude lehnt.

Was wäre, wenn es einen Weg gäbe, das zu verhindern? Eine Methode, die so einfach wie tiefgreifend ist und dir hilft, deinen inneren Kompass neu auszurichten? Eine Übung, die dir mehr Klarheit verschafft als Dutzende Ratgeber zusammen?

Vergiss für einen Moment SMART-Ziele, OKRs und all die anderen Management-Tools. Wir gehen tiefer. Wir machen eine Zeitreise.

Die ultimative Frage: Was sollen sie über dich sagen?

Stell dir vor, du sitzt an deinem 70. Geburtstag im Kreise deiner Liebsten. Die Stimmung ist heiter, du blickst auf ein langes, ereignisreiches Leben zurück. Du bist entspannt, vielleicht ein bisschen weiser, und zufrieden mit dem, was du erreicht hast.

Im Laufe des Abends erheben sich vier Personen, um eine kurze Rede auf dich zu halten. Eine Laudatio.

Das ist sie, die Übung: Der 70. Geburtstag.

Die Aufgabe ist simpel: Schreibe diese vier Reden selbst. Nicht wie du denkst, dass sie ausfallen würden, sondern wie du dir von Herzen wünschst, dass sie ausfallen. Was sollen diese Menschen an diesem besonderen Tag über dich, dein Leben und dein Wirken sagen?

Die vier Redner sind:

  • Jemand aus deiner Familie: Dein Partner, dein Kind, ein Elternteil.
  • Ein guter Freund oder eine gute Freundin: Jemand, der dich durch dick und dünn begleitet hat.
  • Ein Arbeitskollege oder Weggefährte: Jemand, der deine berufliche Laufbahn miterlebt hat.
  • Jemand, der dich nicht unbedingt persönlich kennt: Das könnte ein entfernter Bekannter sein, jemand aus deinem Verein oder sogar eine historische Persönlichkeit, die du bewunderst, wie Steve Jobs oder Marie Curie. Was würde diese Person über deinen Beitrag zur Welt sagen?

Klingt simpel? Vielleicht. Aber die wahre Herausforderung liegt im Detail. Du musst dir darüber klar werden, wofür du in den Augen der wichtigsten Menschen in deinem Leben stehen willst. Du entwirfst dein eigenes Vermächtnis. Damit hörst du auf, nur deine nächsten Schritte zu planen, und fängst an, dein ultimatives Ziel zu definieren.

Perspektive 1: Die Familie – Das Fundament deines Lebens

Was wünschst du dir, von deinem Partner, deinem Sohn oder deiner Tochter zu hören? Dass du immer für sie da warst? Dass du ihnen bedingungslose Liebe und Sicherheit geschenkt hast? Dass du ihnen beigebracht hast, neugierig und mutig durchs Leben zu gehen?

Oder sollen sie sagen: „Er/Sie war immer im Büro, hat uns aber alles ermöglicht“?

Hier geht es nicht um materielle Dinge. Es geht um Präsenz, um Werte, um die emotionalen Spuren, die du hinterlässt. Wenn du diese Laudatio schreibst, definierst du, welche Rolle Familie und Beziehungen in deinem Leben spielen sollen. Das hat direkte Auswirkungen auf deine Prioritäten von heute. Wenn du schreibst: „Papa hat sich immer Zeit für unsere Hausaufgaben genommen“, aber du bist aktuell jeden Abend bis 21 Uhr im Büro, dann hast du eine Diskrepanz entdeckt. Eine Lücke zwischen deinem gewünschten Sein und deinem aktuellen Tun. Das ist der erste, oft schmerzhafte, aber notwendige Schritt zur Kurskorrektur. Du stellst fest, dass Erfolg im Job vielleicht nicht alles ist, wenn der Preis dafür die Entfremdung von deinen Liebsten ist. Die Definition von Lebenszielen ist ein Balanceakt, wie auch Studien immer wieder belegen. Eine Untersuchung der Universität Basel betont, wie wichtig die harmonische Verfolgung verschiedener Lebensziele für das Wohlbefinden ist. Es geht nicht um „entweder/oder“, sondern um ein integriertes Leben.

Perspektive 2: Der Freund – Dein Spiegel als Mensch

Freundschaften sind ein freiwilliges Band. Deine Freunde sind bei dir, weil sie deine Gesellschaft schätzen. Was soll dein bester Freund über dich sagen? Dass du derjenige warst, den man um 3 Uhr nachts anrufen konnte? Dass du für jeden Spaß zu haben warst und das Leben nicht zu ernst genommen hast? Dass deine Ratschläge ehrlich und wertvoll waren? Dass du loyal und verlässlich warst?

In dieser Rede geht es um deinen Charakter. Bist du ein guter Zuhörer? Ein Abenteurer? Der Fels in der Brandung? Die Art und Weise, wie du deine Freundschaften gestalten möchtest, sagt unglaublich viel über deine Werte aus.

Vielleicht erkennst du beim Schreiben, dass du deine Freundschaften in den letzten Jahren vernachlässigt hast, weil die Karriere im Vordergrund stand. Die Laudatio wird zu einem Appell an dich selbst: Pflege die Beziehungen, die dir Kraft geben. Denn kein Karrieresprung der Welt kann ein tiefes Gespräch mit einem wahren Freund ersetzen. Diesen Aspekt der Selbstreflexion, der für jede gute Karriereplanung unerlässlich ist, behandeln wir auch in unserem Beitrag über die Kunst der Selbstreflexion im Beruf.

Perspektive 3: Der Kollege – Dein professionelles Vermächtnis

Jetzt wird es beruflich. Was soll ein langjähriger Kollege über deine Arbeit sagen? Dass du immer nur deine Aufgaben erledigt hast? Oder dass du ein Mentor warst, der andere gefördert hat? Dass du mutig neue Wege gegangen bist, auch wenn es Widerstand gab? Dass du für deine Integrität und Fairness bekannt warst? Dass du komplexe Probleme gelöst und einen echten Unterschied in deiner Branche gemacht hast?

Hier geht es darum, deinen Beitrag zu definieren. Welchen Impact willst du in deinem Berufsleben erzielen? Geht es dir um Innovation, um Führung, um die Schaffung eines positiven Arbeitsumfelds oder um die Perfektionierung eines Handwerks?

Wenn du hier schreibst „Sie hat unser Unternehmen durch ihre visionären Ideen revolutioniert“, aber dein aktueller Job besteht nur aus repetitiven Routineaufgaben, dann ist das ein klares Signal. Ein Signal, dass du entweder in der falschen Position bist oder deine aktuelle Rolle neu gestalten musst. Du musst beginnen, die Weichen so zu stellen, dass du zu der Person werden kannst, die diese Laudatio verdient hat. Das erfordert Klarheit darüber, was du wirklich willst – ein Thema, das wir im Artikel „Was will ich wirklich?“ vertiefen.

Die Psychologie der Zielsetzung, oft unter dem Begriff „Goal-Setting-Theorie“ zusammengefasst, zeigt, dass spezifische und herausfordernde Ziele zu einer höheren Leistung führen als vage oder einfache Ziele. Deine selbstgeschriebene Laudatio ist nichts anderes als das spezifischste und herausforderndste Ziel, das du dir vorstellen kannst: das Ziel eines erfüllten Lebenswerks.

Perspektive 4: Der Außenstehende – Dein Fußabdruck in der Welt

Diese Perspektive ist vielleicht die abstrakteste, aber auch die kraftvollste. Was würde jemand über dich sagen, der dich nur aus der Ferne beobachtet hat? Welchen Ruf hast du dir über deinen engsten Kreis hinaus erarbeitet? Welchen Beitrag hast du zur Gesellschaft oder zu einem bestimmten Thema geleistet?

Hier geht es um deine Mission, deinen „Purpose“. Hast du Wissen geteilt? Hast du dich ehrenamtlich engagiert? Hast du eine Community aufgebaut? Hast du durch deine Kunst, deine Arbeit oder einfach nur durch deine Lebensweise andere inspiriert?

Diese Rede zwingt dich, über deinen eigenen Tellerrand hinauszublicken. Es geht nicht mehr nur um dich und dein direktes Umfeld, sondern um deinen Platz in der Welt. Das ist der Moment, in dem du dein großes Ziel definieren kannst. Nicht „Ich will Abteilungsleiter werden“, sondern „Ich will Menschen befähigen, ihr volles Potenzial zu entfalten“. Siehst du den Unterschied? Das erste ist ein Jobtitel, das zweite ist eine Mission. Eine Mission gibt dir Kraft, auch wenn es mal schwierig wird. Sie ist der Motor, der dich antreibt.

Von der Laudatio zum Handlungsplan: Die Brücke in die Gegenwart

Okay, du hast jetzt vier inspirierende, vielleicht auch emotionale Texte vor dir liegen. Ein schönes Gefühl. Aber was nun? Die Gefahr ist, dass du die Zettel in eine Schublade legst und im Alltagstrott weitermachst.

Genau das darf nicht passieren. Diese Reden sind kein Traumschloss, sie sind deine Blaupause.

Schritt 1: Extrahiere deine Kernwerte.

Lies dir alle vier Reden noch einmal genau durch. Welche Worte und Themen tauchen immer wieder auf? Sind es Begriffe wie „verlässlich“, „mutig“, „liebevoll“, „innovativ“, „inspirierend“, „integer“? Schreibe diese Kernwerte auf einen Zettel. Das ist dein persönliches Leitbild. Diese Werte sind ab sofort die Grundlage für deine Entscheidungen.

Schritt 2: Identifiziere die Lücken.

Vergleiche die Person in den Reden mit der Person, die du heute bist. Wo sind die größten Diskrepanzen?

  • Wissenslücken: Was musst du lernen, um diese Person zu werden?
  • Fähigkeitslücken: Welche Fähigkeiten musst du dir aneignen?
  • Verhaltenslücken: Welche Gewohnheiten musst du ändern?
  • Umfeldlücken: Umgibst du dich mit den richtigen Menschen? Bist du im richtigen Job?

Sei hier brutal ehrlich zu dir selbst. Das ist kein Moment für Schönrednerei, sondern für eine klare Bestandsaufnahme.

Schritt 3: Formuliere konkrete Ziele.

Jetzt übersetzen wir die Vision in konkrete Handlungsschritte. Aus dem Wunsch „mein Kollege soll meine Innovationskraft loben“ wird das Ziel: „Ich werde im nächsten Quartal ein Projekt vorschlagen, das einen unserer Kernprozesse um 10 % effizienter macht.“ Aus „meine Kinder sollen sich an meine Präsenz erinnern“ wird: „Ich werde an drei von fünf Abenden pro Woche das Handy ab 18 Uhr weglegen und die Zeit bewusst mit der Familie verbringen.“

Plötzlich wird das große, abstrakte Lebensziel greifbar. Du hast einen konkreten nächsten Schritt. Das ist der entscheidende Punkt, an dem Vision auf Realität trifft. Die Fähigkeit, sich selbst zu motivieren und diese Ziele auch bei Rückschlägen weiterzuverfolgen, ist entscheidend. Institutionen wie die Max-Planck-Gesellschaft forschen intensiv zu Themen wie Selbstregulation und Motivation, die hierbei eine zentrale Rolle spielen.

Warum wir uns so schwertun, das richtige Ziel zu definieren

Diese Übung ist so wirkungsvoll, weil sie eine fundamentale Schwäche unseres Denkens umgeht. Wir sind darauf konditioniert, in Möglichkeiten und Optionen zu denken, die jetzt verfügbar sind. Wir fragen: „Welchen Job kann ich mit meiner aktuellen Qualifikation bekommen?“, anstatt zu fragen: „Welche Qualifikationen brauche ich, um den Job zu machen, der mich wirklich erfüllt?“

Die „70. Geburtstag“-Übung dreht den Spieß um. Sie startet am Ende, bei der Vision deines idealen Selbst. Von dort aus arbeitest du dich rückwärts in die Gegenwart. Dieses Prinzip, bekannt als „Reverse Engineering“, ist unglaublich mächtig. Du richtest all deine Handlungen, Entscheidungen und Lernbemühungen auf ein klares, leuchtendes Ziel aus.

Du hörst auf, ziellos durchs Leben zu treiben und fängst an, bewusst zu navigieren. Jede Entscheidung kann jetzt an deinem Leitbild gemessen werden: Bringt mich das näher an die Person, die ich an meinem 70. Geburtstag sein möchte, oder weiter davon weg?

Diese Klarheit ist ein unbezahlbarer Vorteil – im Beruf und im Leben. Sie gibt dir die Kraft, „Nein“ zu sagen zu Dingen, die dich von deinem Weg abbringen. Sie gibt dir die Motivation, die extra Meile zu gehen für die Dinge, die dich deinem Ziel näherbringen.

Also, nimm dir die Zeit. Ein, zwei Stunden ungestörte Ruhe. Ein Stift, ein Blatt Papier. Reise in die Zukunft und lausche den Reden. Es könnte die wichtigste Übung deines Lebens sein. Denn am Ende geht es nicht darum, beschäftigt zu sein. Es geht darum, das Leben zu führen, auf das du eines Tages mit Stolz und ohne Reue zurückblicken kannst.

Worauf wartest du noch? Dein zukünftiges Ich wird es dir danken.

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